Prozessbericht vom 24.02.2021 im Amtsgericht

Silvester am Connewitzer Kreuz 2019 / 2020 | Angeklagter 4 | Tag 4

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Richter Hühner eröffnete den Prozess mit dem Hinweis, der Termin sei nur dazwischen geschoben worden um drei Beschlüsse zu verlesen: Die Wortlautprotokollierung des Zeugen Schönrath sowie Einsicht in den Einsatzbefehl wurden abgelehnt. Ebenso der Antrag eine Liste der am Einsatz beteiligten Polizisten sowie ihrer Kennung zu ermitteln. Neben einer fehlenden rechtlichen Grundlage, sei die Verletzung des Angeklagten ohne Bedeutung im Verfahren. Eine erstaunliche Aussage gegenüber dem wiederholten Vorwurf von Polizeigewalt während der Festnahme. Einer zunehmend unbegründeten Festnahme, wie sich später bestätigen würde.

DNA-Gutachten

Anschließend wurde ein DNA-Gutachten des LKA vom 22. Mai 2020 verlesen. Sie nennt zwei 2 DNA-Muster am Helm des Geschädigten Ronny Golze. Eines der Muster sei mit hoher Wahrscheinlihckeit auf ihn selbst zurückführbar, so das Labor. Der Richter ergänzte, dass der Tatverdächtige auch bei dem zweiten Muster ausgeschlossen werden könnte. Nach kurzem Schlagabtausch mit der Verteidigung verlas Hühner ein Beiblatt, in dem das zweite Muster der Polizistin Mady Golze, verheiratet mit Ronny, zugerechnet wird.

Zwischenerklärung der Verteidigung

Dem Gutachten hängte der verteidigende Anwalt eine Zwischenerklärung an: Der Angeklagte soll den Helm des Polizisten Ronny Golze ergriffen und im hohen Bogen über das Connewitzer Kreuz geworfen haben. Er hatte, wie auch Golze bestätigte, keine Handschuhe an. Solche wurden auch nicht mit seiner Kleidung beschlagnahmt. Diese Tatsache würde auch ein noch zu zeigendes Video unterstreichen. Daraus ergibt sich ein klarer Widerspruch: Es müssten DNA-Spuren am Helm zu finden sein. Die Behauptung des Zeugen Golze, der Angeklagte habe den Helm ergriffen, heruntergerissen und in hohem Bogen auf das Connewitzer Kreuz geworfen sei widerlegt, der Angeklagte wäre frei zu sprechen.

Antrag zur Wortlautprotokollierung bei Schröter

Offensichtlich gegen die Erwartung des Staatsanwaltes (StA) König brachte die Verteidigung weitere Anträge vor. Zunächst zur Protokollierung des Wortlauts des Beamten S. Schröter, welcher am 02. Dezember als Zeuge ausgesagt hatte. Unter anderem sollten folgende Antworten erfasst werden: „Zwei Kollegen. Petter und ich, dann noch Müller-Pfeffing. Scharf und Schönrath rannten vor mir zur Person hin. Außerdem zwei weitere Polizisten.“, auf die Frage wer zuerst am Beschuldigten war. „Ich hatte Arm und Kopf in der Umschließung, um ihn dann mit meinem eigenen Gewicht runterzubringen!“. Auf die Frage, ob er den angeblichen Angriff auf Ronny Golze gesehen hatte: „Negativ“. Ob er am Kopf gewesen sei oder die Hand am Kopf des Angeklagten hatte ebenfalls: „Nein“. Auf eine Nachfrage, ob er ganz sicher sei: „Korrekt“. Die Aussage, dass Schröter der taktischen Einsatzkennung SN 921 den Polizeibeamten Scharf zuordnete sollte ebenfalls festgehalten werden.

In seiner Stellungnahme zum eingereichten Antrag warf StA König der Verteidigung erneut Prozessverschleppung vor. Diese entgegnete, dass die Terminierung der folgenden Prozesstage seine Mühen zeige und die Unterstellung widerlege. Der eigentliche Folgetermin am 15. Dezember musste auf Grund der Pandemie-Situation abgesagt werden. Die Wortlautprokollierung seit notwendig, da die Polizisten möglicherweise Fehler gemacht hätten, welche schwer zu beweisen sind. Erschwerend käme hinzu, dass die Akte durch die StA nachlässig geführt sei. Der Richter wies trocken darauf hin, der Antrag einen Wortlaut im Nachhinein zu protokollieren widerspräche seiner Rechtsauffassung. Die Verteidigung brachte Verwunderung über dieses Argument zum Ausdruck, hatte doch der Richter einer Protokollierung während der Aussagen nicht zugestimmt.

Antrag zur Wortlautprotokollierung bei Golze

Gleiches beantragte die Verteidigung zu Wortlauten aus der Zeugenbefragung von Ronny Golze: „In der Silvesternacht wurde ich als Hundertschaftsführer eingesetzt. Gegen 1:00 Uhr kam die Anfrage vom Zugführer Klose wegen einer Zugriffsmöglichkeit. Der Zug befand sich im Bereich vom Werk III direkt auf dem Connewitzer Kreuz. Ich war zu diesem Zeitpunkt am AOK-Gebäude und bewegte mich dann über das Kreuz in Richtung Arno-Nitzsche-Straße. In diesem Moment fiel mir eine Personengruppe auf dem Connewitzer Kreuz auf, die dem Zug folgte. Es kam zu einem Flaschenwurf. Ich bewegte mich auf die Gruppe zu und sprach den Werfenden an. Der war sichtlich erschrocken. In dem Moment als ich ihm den Tatvorwurf machte, wird mir der Helm vom Kopf gezogen worauf ich mich herum drehte, in Blickrichtung AOK. Ich fragte, ob ich meinen Helm wiederbekomme. Es war noch relativ entspannt. Er sagte zu mir, den brauchst du nicht mehr, den Wortlaut bekomme ich aber nicht mehr hin. Ich ergriff ihn daraufhin und drängte ihn in Richtung AOK-Gebäude, weil dort weitere Polizei war. Dann erfolgten zwei Schläge, einer traf mich wohl. Dann kam Polizei, ich wusste zunächst nicht welche Gruppe“. Neben dieser Schilderung des angeblichen Tatherganges beantwortete der Hunderschaftsführer Golze noch mehrere Fragen und gab zunächst an, das zuvor beschriebene Gerangel hätte mehr als 1, weniger als 5, vielleicht 2-3 Minuten gedauert. Die Situation mit dem Flaschenwerfer habe „Nicht mal 30 Sekunde“ gedauert. Er wäre „im 5-10 Meter Bereich“ zur AOK gewesen. Der beschrieben Zug mit Klose (BPZ 222) wäre während des Zugriff „am Kreuz, Arno-Nitzsche-Straße, noch vor dem Rewe“ gewesen.

Der Staatsanwalt wollte keine Stellung nehmen, der Richter wiederholte seine „Rechtsauffassung“ und sie grinsten sich genervt an. Es sollten noch zwei weitere Anträge folgen.

Antrag auf Vorladung von Klose

Die Verteidigung beantragte die Ladung des Polizeihauptkommissars Klose in den Zeugenstand. Diese könne Erkenntnisse aus – noch nicht gezeigtem – Videomaterial bestätigen. Seine Einheit, der Zug BPZ 222, habe sich um 00:46:30 Uhr auf dem Connewitzer Kreuz befunden um sich um 00:47:03 Uhr in Richtung Atrno-Nitzsche-Straße zu bewegen. Laut einer vorausgegangenen Zeugenaussagen soll diesem Loslaufen eine Autorisierung durch Ronny Golze vorausgegangen sein. Weiterhin habe ein Jugendlicher aus einer Gruppe heraus einen flaschenartigen Gegenstand nach dem Zug geworfen. Golze habe ihn zur Rede gestellt und festgehalten. In dem benannten Videomaterial ist diese Sequenz aber nicht zu sehen. Zusammen mit der beantragten Zeugenaussage des Zugführers Klose wird die Aussage von Ronny Golze widerlegt, der Angeklagte sei frei zu sprechen. Der Antrag wurde durch das Gericht nicht entschieden, eine Bereitschaft bestand aber. Beim StA wäre diese auch viel größer „wenn wir einfach mal hören könnten was der Zeuge zu sagen hat und nicht zwei bis drei Stunden mit Anträgen verbringen müssen“. Dem entgegnete die Verteidigung, dass Wahrheitsfindung eben dauern würde.

Antrag zur Verlesung von Funkprotokollen

Abschließend beantragte der Anwalt des Beschuldigten die polizeilichen Funkprotokolle des Abends. Sie würden den zuvor geschilderten Ablauf um 00:47 Uhr unterstreichen. Nach dem Funkspruch an Klose (00:47:03 Uhr) ergebe sich ein Zeitfenster von unter 41 Sekunden, bis die Polizisten Schönrath, Petter, Schröter und Wittek um 00:47:44 Uhr auf den Angeklagten getroffen sind, wie ein Video einer Handkamera zeigt. Der von Ronny Golze geschilderte Sachverhalt dauerte aber laut eigener Aussage zwei bis drei Minuten. Ein Zeitraum, in dem er einen jugendlichen Flaschenwerfer angesprochen, festgehalten, sich den Kopf vom Helm ziehen lassen, den Angreifer ruhig angesprochen, geschlagen worden sein und den Angreifer dann Richtung AOK gedrängt haben will. Die Verteidigung stellte erneut fest, dass der beschriebene Ablauf sich so nicht zugetragen haben kann und der Angeklagte frei zu sprechen sei.

Der StA kommentierte genervt, dass man ja sehen würde was das Video zeigt, womit die Verhandlung dann auch geschlossen wurde.

Weitere Termine

Die nächsten Termine sind am 04. Mai um 09:30 (ganztägig), 21. Mai um 09:30 (halbtägig), 08. Juni um 9:30 (ganztägig).