Prozessbericht vom 02.12.2020 im Amtsgericht

Silvester am Connewitzer Kreuz 2019 / 2020 | Angeklagter 4 | Tag 3

Um 09:30 Uhr begann der 3. Verhandlungstag. Nicht alle anwesenden solidarischen Prozessbegleiter*innen und Pressevertreter*innen konnten Platz im Saal finden. Das lag zum einen an den erforderlichen Mindestabständen zum Infektionsschutz und zum anderen an zwei uniformierten und bewaffneten Polizist*innen, die sich dreist auf die ohnehin spärlich vorhandenen Zuschauer*innen-Plätze setzten.


Die für diesen Verhandlungstag geplante Beweisaufnahme durch zahlreiche Zeugenaussagen konnte erst nach der Mittagspause um 12:30 Uhr beginnen. Bis dahin gab es vor allem Auseinandersetzungen zwischen der Verteidigung, dem Gericht und der Staatsanwaltschaft .

Wie bereits in der Vergangenheit forderte die Verteidigung die Beiziehung weiterer Akten, dem Polizeibefehl der Silvesternacht, etc. Diese Informationen wurden bisher vorenthalten und auch heute wurden alle Anträge dazu abgelehnt oder die Entscheidung darüber vertagt. Außerdem wurde auch Covid 19 wieder thematisiert. Auf Nachfrage der Verteidigung gab der Richter an, ihm seien keine Corona-Erkrankungen innerhalb des Amtsgerichts bekannt. Ob dies bei der Staatsanwaltschaft oder der Polizei Leipzig der Fall sei, wisse er hingegen nicht. Es bestehe diesbezüglich auch kein Auskunftsrecht.

Es wurde ein Fortsetzungstermin für den Di., 15.12. um 09:30 vereinbart. [Anmerkung: Dieser wurde wegen des Ansteckungsrisikos durch Covid 19 verschoben]
Anschließend ging es wie bereits im letzten Verhandlungstag um die Wortlautprotokollierung der Zeugenaussagen. Diese sei wichtig um unterscheiden zu können, wann Polizeizeugen lediglich angelesenen Akteninhalt wiedergeben und wann sie auf ihrer Erinnerung basierend berichten, so die Verteidigung. Staatsanwaltschaft und Gericht vertraten weiterhin die Ansicht, das eine Wortlautprotokollierung nicht wie erfolgt im Anschluss einer Zeugenaussage möglich ist. Entsprechende Anträge müssten unmittelbar nach einem zu protokollierenden Satz gestellt werden. Dies ist aus Verteidigersicht nicht Zielführend, da so der Fluss einer Vernehmung in einem nicht hinnehmbaren Maße gestört wird. Der daran anknüpfende Antrag auf Wortlautprotokollierung der gesamten Zeugenaussage wurde ebenfalls abgelehnt. Laut Staatsanwaltschaft kommt es nicht auf den Wortlaut, sondern auf den Inhalt einer Aussage an.

Nun folgte eine längere Auseinandersetzung um die beiden im Zuschauerbereich sitzenden Polizist*innen. Die Verteidigung und der Angeklagte empfanden die Anwesenheit zweier bewaffneter Angehöriger der Polizei als Einschüchterung und forderten die Abgabe ihrer Waffen und Handys. Auf Nachfrage gaben die beiden an, der selben Einheit der Bereitschaftspolizei anzugehören wie die geladenen Polizeizeugen. Die Gründe ihrer Anwesenheit seien dienstlich. Ihr Ziel sei es das Aussageverhalten ihrer Kollegen zu beobachten. Die Verteidigung forderte, das die beiden den Saal verlassen müssten. Neben der einschüchternden Wirkung würden die sich im Dienst befindlichen Polizist*innen der Öffentlichkeit die Plätze im Gerichtssaal wegnehmen. Hinzu kommt, dass mögliche, die Polizei belastende Zeugenaussagen der Cops durch die Anwesenheit ihrer beiden Kollegen verhindert werden könnten. Dies wiegt besonders schwer, da die Verteidigung im Rahmen der Festnahme des Angeklagten von einer Körperverletzung im Amt ausgeht. Die Anträge der Verteidigung werden wie fast alle Anträge des heutigen Tages abgelehnt.

Bemerkenswert war anschließend der Vorwurf des Staatsanwalts, die Verteidigung verfolge mit ihren Anträgen lediglich die Strategie die Aufklärung zu Verhindern und den Prozess zu verzögern.

Da der im Publikum befindliche Polizist angab am Silvesterabend, wie seine Kollegen am Kreuz, im Einsatz gewesen zu sein wurde er kurzerhand von der Verteidigung als Zeuge ernannt. Nach der Mittagspause um 12:30 Uhr wurde er vernommen. Es handelt sich um Robin Götze, 30 Jahre, Angehöriger der BFE. Er war in der Silvesternacht zur Unterstützung der Kräfte in Connewitz dort eingesetzt. Zur angeblichen Tatzeit war er laut seiner Aussage räumlich unmittelbar am Tatort, er hat jedoch keine Beobachtungen gemacht und erst gegen 02:30 Uhr von dem Vorfall erfahren, der dem Angeklagten in diesem Prozess vorgeworfen wird.

Nach seiner Entlassung durfte er nicht wieder im Saal platz nehmen, da er laut Verteidigung möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt erneut gehört wird. Mit ihm verließ die andere Polizistin, Sophie Lindner, die nach wie vor im Zuschauerbereich saß den Saal. In der anschließenden Pause konnte beobachtet werden wie diese Polizistin auf den als nächstes geladenen Zeugen zuging und sich mit diesem austauschte. Der Staatsanwalt und der Richter wurden darauf aufmerksam gemacht und überzeugten sich selbst davon.

Zurück im Gerichtssaal stellt die Verteidigung einen weiteren Befangenheitsantrag gegen den Amtsrichter Hüne. Dieser habe bisher nahezu alle Anträge der Verteidigung abgelehnt. Die Verhandlung wurde jedoch fortgesetzt, da über diesen Antrag erst in der Folge entschieden wird.

Es folgte die Vernehmung des zweiten Zeugen. Herr Golze ist 41 Jahre alt, Hundertschaftsführer und bisher Hauptbelastungszeuge. Zunächst wurde er zu dem Gespräch mit der Polizistin befragt, die den Prozess beobachtet hatte. Angeblich hätte sie ihm nur gesagt das sie das Gericht nun verlasse. Golze war in der Silvesternacht als Hundertschaftsführer der Bereitschaftspolizei in Connewitz eingesetzt. Gegen 01:00 Uhr gab er die Freigabe zu einer Festnahme infolge eines Flaschenwurfes. Als er diese Beobachten wollte nahm er selbst einen zweiten Flaschenwurf wahr. Alleine ging er auf die werfende Person zu und sprach diese an. In dem Moment wurde ihm von hinten der Helm vom Kopf gezogen. Golze wollte seinen Helm wieder haben und sprach die Person an, die seinen Helm in der Hand hielt: „Gib mir bitte meinen Helm wieder“. Die angesprochene Person warf den Helm jedoch aufs Connewitzer Kreuz. Golze wollte seinem Gegenüber nun habhaft werden, es kam zur Auseinandersetzung. In der Folge wurde Golze, der körperlich unterlegen war, an die Wand gedrückt und es erfolgten zwei Faustschläge in Richtung seines Gesichts. Während er dem Ersten noch ausweichen konnte, erreichte der Zweite sein Ziel. Anschließend kam ihm eine Einheit zur Hilfe, er entfernte sich zu seinem Einsatzfahrzeug, da sein Funk nicht mehr funktionierte. Später erfuhr er, dass der Angeklagte ins Krankenhaus gebracht wurde. Wie die Verletzungen entstanden sind konnte er nicht beobachten. Dass Golze überhaupt alleine in eine körperliche Auseinandersetzung verwickelt werden konnte wertete er als einen taktischen Fehler seinerseits. Er hätte nicht alleine auf die werfende Person zugehen dürfen. Am Ende hat Golze seinen Einsatzhelm wieder zurückbekommen.
Die Verteidigung stellte wie früher schon einen Antrag auf Wortlautpotokoliierung der Zeugenaussage. Dieser wurde wie gehabt abgelehnt.

Im Anschluss brachte die Verteidigung einen Antrag zur Sichtung von Videos ein. In diesen sollte unter anderem zu sehen sein wie der Kopf des Angeklagten, nachdem er zu Boden gebracht wurde, von einem Polizisten auf das Pflaster geschlagen wird. Das Video wurde allerdings nicht gezeigt.

Es folgte die dritte Zeugenvernehmung. Stephan Schröter, 26 Jahre, war mit seiner BFE Einheit dem Cop Golze zur Hilfe gekommen. Schröter hat ein ausgesprochen schlechtes Gedächtnis. Er war an der Festnahme des Angeklagten beteiligt, indem er diesen am linken Arm gepackt und zusammen mit seinem Kollegen Petter zu Boden gebracht hat. Er habe dabei keine Gewalt angewendet. Wie sein Kollege bei der Festnahme vorging konnte er nicht sehen. Er weiß auch nicht mehr mit welchen Kollegen er im Einsatz war, wer mit ihm im Einsatzfahrzeug saß, wer den Angeklagten zuerst ergriffen hat oder ob der Angeklagte nach der Festnahme mit dem Rücken nach oben oder unten lag. Auf Nachfrage der Verteidigung gab Schröter an, er möchte sich bei dem im Rahmen dieses Einsatzes schwer verletzten Angeklagten nicht entschuldigen.

Der Prozesstag endete gegen 16:30