PM vom 20.01.2020: Hungerstreik in der JVA und Kundgebung

Leipzig, den 20.01.2020

+++ Hungerstreik eines Untersuchungsgefangenen in der JVA Leipzig +++
Kundgebung um 17:00 Uhr an Kreuzung Straße des 17. Juni / Münzgasse +++

Seit dem 17.01.2020 (Anm. d. Redaktion: wir hatten zuerst fehlerhaft vom
13.01.2020 geschrieben) befindet sich Néstro im Hungerstreik in der JVA
Leipzig. Er wurde mit elf weiteren Personen am Rande der
Silvester-Krawalle vom Connewitzer Kreuz in Untersuchungshaft genommen.
In einem offenen Brief (siehe unten) fordert er „die Freilassung aller
drei seit dem 01.01.2020 in Untersuchungshaft Sitzenden bis zu einer
fairen Verhandlung, um unsere Unschuld zu beweisen.“, zuvor kritisiert
er die Brutalität der Festnahmen, sowie die „an den Haaren
herbeigezogenen Untersuchungshaftgründe“.

„Die Geschehnisse sind vor allem Ausdruck angestauter Wut gegen die
starke Polizei-Präsenz in Connewitz“, erklärt Anja Schwerthoff,
Sprecherin vom Solidaritätskomitee 31.12. Gerade Silvester war für die
Polizei ein „willkommener Moment zur Eskalation, die politisch zugunsten
des konservativen Bürgertums ausgeschlachtet wurde“, erklärt Schwerthoff
weiter.

Der Stadtteil Connewitz sei dabei nur ein Beispiel: „Während in
Connewitz die widerständigen Linken zum Feindbild der Polizei wurden,
sind es in Grünau prekarisierte Jugendliche und um die Eisenbahnstraße
Migrant*innen.“ Daraus schließt Schwerthoff: „In diesem Kontext
betrachten wir die Geschehnisse vereinfacht als politische Konfrontation
zwischen Unterdrückten und der herrschenden Klasse.“

Aus seiner Perspektive hinter Gitterstäben bekräftigt Néstro: „Es macht
mich traurig, in die Gesichter der Gefangenen zu schauen, ihre
Geschichten zu hören, die zurückzuführen sind auf den alles
beherrschenden Kapitalismus. In einer Gesellschaft, in der man klauen
muss, wenn man kein Geld hat, um sich etwas zu Essen zu kaufen, man
schwarzfahren muss, wenn man sich kein Ticket kaufen kann […]“. Weiter
stellt Néstro fest: „Sie sind keine Straftäter. Die Verbrecher sind die,
die da oben sitzen und uns mit Füßen treten.“

Kontakte:

Wir stehen Ihnen persönlich für Interviews und Rückfragen bei der
Kundgebung um 17:00 Uhr an der Kreuzung Str. des 17. Juni / Münzgasse
zur Verfügung.
Weitere Kontaktmöglichkeiten:
Telefon: 015214518810
E-Mail: solidaritaet3112@riseup.net
Twitter: twitter.com/solidievomkreuz
Website: dievomkreuz.noblogs.org

Solidaritätsbekundungen können postalisch an den Gefangenen gerichtet
werden. Es ist zu beachten, dass die Post mitgelesen wird:
Néstro / Solidarität3112
c/o linXXnet
Brandstr. 15
04277 Leipzig

 

Anhang: Brief des Untersuchungsgefangenen Néstro vom 19.01.2020

„Ich bin einer der drei noch in Haft Sitzenden, die in der Silvester
Nacht am Connewitzer Kreuz brutal festgenommen wurden.
Seit dem 17.01.2020 befinde ich mich im Hungerstreik, um auf die
sinnlose und an den Haaren herbeigezogenen Untersuchungshaftgründe
aufmerksam zu machen.

Es macht mich wütend, wie die Obrigkeit – Richter und auch
Staatsanwaltschaft – uns ausnutzt, um ihr Handeln zu rechtfertigen. Sie
verdrehen mit ihrer Macht das Recht, verstoßen gegen geltende
Grundrechte, um uns in die Knie zu zwingen. Ich werde mich nicht beugen
und ihren Terror hinnehmen. Sie werden mich nicht brechen, um mich dann
ihren Lügen zu unterwerfen.

Es macht mich dennoch traurig, von meinen Lieben getrennt zu sein.
Es macht mich traurig, jeden verdammten Tag durch die Gitter vor meinem
Fenster, hinweg über den Zaun, in die Freiheit zu schauen.
Es macht mich traurig, in die Gesichter der Gefangenen zu schauen, ihre
Geschichten zu hören, die zurückzuführen sind auf den alles
beherrschenden Kapitalismus.
In einer Gesellschaft, in der man klauen muss, wenn man kein Geld hat,
um sich etwas zu Essen zu kaufen, man schwarzfahren muss, wenn man sich
kein Ticket kaufen kann, oder man im Drogensumpf versinkt. Weil einem
die Gesellschaft das Gefühl gibt, wertlos zu sein, wenn du kein Geld
hast. Darum verkaufen Leute Drogen, um Prestige-Objekte wie
Markenklamotten oder dicke Autos zu kaufen und Anerkennung zu bekommen
in dieser Gesellschaft. Sie sind keine Straftäter. Die Verbrecher sind
die, die da oben sitzen und uns mit Füßen treten.

Mein Ziel ist die Freilassung aller drei seit dem 01.01.2020 in
Untersuchungshaft Sitzenden bis zu einer fairen Verhandlung, um unsere
Unschuld zu beweisen.

Anarchistische Grüße und ein fettes Dankeschön an die Leute, die uns
Kraft geben und uns solidarisch zur Seite stehen.

In Liebe und Aufrichtigkeit,
Néstro“